Mai 2009
Seit vielen Jahren besitzt Herr J. Sch., Großkundenbetreuer bei der Deutschen Post und engagierter Freizeit-Pianist, zu Hause im Raum Augsburg einen O-180 von Steinway. Seit 1900 wird dieser Flügel gebaut, und Herr Sch. besitzt ein frühes amerikanisches Exemplar von 1905, noch stolz gelabelt als „Miniature Grand, pat. 1899“. (Übrigens: dieser Flügel wurde eigentlich als „Null“ – 0 – logisch glaubhaft diesseits des Buchstabens A angesiedelt. Aber das geriet irgendwann in Vergessenheit…)
Fachlich gab es für mich da hochinteressante Details zu sehen – doch für Herrn Sch. war der aktuell trübselige Klangzustand wichtiger: Insgesamt kurzatmig, besonders in der Mittellage. Knallig im Bass, trotz neuer Teilbesaitung, und klirrig im Diskant. Es war mir ein besonderes Vergnügen, hier wieder die markentypische Klangklarheit und Charakterstärke herauszukitzeln, sowie auch die für den O-Flügel typische schlanke kraftvolle Durchsichtigkeit im Bass. Die erreichbare Verwandlung war beträchtlich, zudem es auch mechanisch noch Wichtiges zu verbessern gab. Im Ergebnis überraschte mich dieser Flügel mit einer genussreichen und charmanten klanglichen Eigenständigkeit. Er klingt etwas perkussiver, wärmer und „erdiger“ als die meisten seiner typischerweise „glockigen“ Geschwister der Steinway-Flügelfamilie.
Wenige Tage nach den Arbeiten schrieb mir Herr Sch.:
„Hallo Herr Januschek!
Nach zweieinhalb Tagewerken Reparaturarbeiten an meinem Steinway Typ O möchte ich Ihnen voller Freude meine Eindrücke schildern. Sie haben mit feinmechanischem Geschick, großer Geduld und hoher Klangbegabung aus meinem alten Flügel „Alles Herausgeholt.“Mit völlig neu gelegter Stimmung, Feinregulierung der Mechanik und Verbesserung aller Hammerköpfe erklingt der Flügel wirklich prächtig. Aus einem alten Klang, zu beschreiben als metallisch, unregelmäßig, unschön, bellend und vorlaut wurde ein neuer Klang, zu beschreiben als seidig, harmonisch, leuchtend und voller Schönheit.
Für Ihre hervorragende Arbeit ein herzliches Danke Schön!
Ihr J. Sch.“
Nachtrag: Im Sommer 2011 hat Herr Sch. sein „Pferd“ gewechselt. Er freut sich seither über seinen Bösendorfer-200. Darüber werde ich bei passender Gelegenheit mehr erzählen. Der Bösi hatte seinen letzten Service im August 2022.