Ende 2008 – Mitte 2009
In Karlsruhe lebt ein Klavierlehrer und Pianist, der maßgeblich in den regionalen Verbänden aktiv ist. Er unterrichtet daheim auf seinem 158 cm Sauter-Stutzflügel von 1968, den er als Erstbesitzer (also seit über 40 Jahren) zum Üben, Spielen und Arbeiten nutzt. Zur Überholung dieses Flügels hatte ich, so war es vorab telefonisch ausgemacht, einen Tag Zeit. Nicht eben viel, wenn man sich äußerst feinfühligen und hohen Ansprüchen gegenüber sieht…
Als ich dann im Oktober 2008 kam, befand ich bei dem Flügel Bedarf für alle wesentlichen Teile der Klang- und Spielart-Gestaltung. Es galt also, Prioritäten für ein Tagewerk zu setzen. Und die lagen m. E. unzweifelhaft auf der gründlichen Neueinrichtung der Mechanik mitsamt den Hämmern, bis das Spielwerk präzise und zuverlässig und perfekt nuancierbar läuft. Meine Hauptdomäne, die Klanggestaltung, trat respektvoll dahinter zurück und spielte eine Nebenrolle.
Der Kunde quittierte das Tagesergebnis mit Begeisterung und Dank. Die Richtigkeit der gesetzten Priorität begriff ich umso mehr, als er mir im Nachhinein schriftlich seine Unterrichtsspezialität erklärte: er legt besonderen Wert darauf,
„Für jede Begabung und jede Altersstufe bzw. jedes Stück eine geeignete musikalische Vorstellung, eine angemessene Bewegungs- und Spannungsführung für einen beglückenden „Zugriff an der Taste“ zu finden.“
Im März 2009, ein halbes Jahr nach der Spielart-Gestaltung, nahm der Kunde auch den Neuaufbau der Stimmung und die abschließende klangliche Einrichtung für seinen Sauter in Anspruch, quasi als komplettierendes Beiwerk.
Die folgende Stellungnahme schrieb mir der Kunde bald darauf:
„Endlich ist es soweit: Ich sitze „in Ruhe“ (gibt es das bei mir?) vor dem PC und gebe Ihnen die längst beabsichtigte Rückmeldung bezüglich meines Sauter.
Zunächst mal: Ihre Stimmung vom 28. März hat bis zu den ersten schwül-heißen Tagen ca. Ende Juni wunderbar gehalten – besser gesagt, der Flügel zeigte sich trotz täglich ca. 10-stündiger Bespielung in absoluter Chor- und sonstiger Reinheit. Inzwischen driften halt die Lagen etwas auseinander, die Chöre naturgemäß auch etwas in sich, aber nur minimal und kaum hörbar.
Die Spielart ist weiterhin wunderbar leicht seit der Überarbeitung. Nur die Taste a1 quietscht wie ein altes Bett. Na gut. Das läßt sich sicherlich leicht beheben.“
Im Juli 2009, also wieder ein Vierteljahr später, erfolgten dann weitere klangliche Glättungen (und natürlich wurde auch das „alte Bett“ entquietscht), und der Kunde ergänzte in kritischer Würdigung:
„Ich möchte Ihnen schnell mal zwischendurch von meinem Eindruck nach Ihrer Überarbeitung neulich berichten: Die intonatorischen Problemkinder sind deutlich besser geworden, wenngleich einzelne sich noch nicht ganz wunschgemäß integrieren. Diese fallen mir noch etwas durch einen Rest „Dumpfheit“ auf. Aber verglichen mit vorher ist alles doch einen großen Schritt weiter.
Wesentlich ist für mich allerdings, daß ich bereits nach Ihren ersten beiden Sitzungen – und nun noch verstärkt – das enorme modulatorische Potenzial meines Sauter beim Spielen glücklich und mit sehr großer Befriedigung musikalisch und eben damit klanglich zu Geltung bringen kann.“
Übrigens: Der kleine Sauter ist ein richtig guter und erstaunlich interessanter Flügel. Wer die überbordend energetischen Sauter-Klaviere kennt, wird hier stattdessen von einem fein nuancierten Wohlklang mit großzügiger Tonlänge überrascht. Meisterhaft und souverän ist die Brillanz im Diskant, die völlig ohne Duplex-Skalen oder andere konstruktive „Booster“ erzielt wird. Der Bass ist, gemessen an der Flügelgröße, respektabel. Der Gesamtklang hat an einigen Stellen Eigenwilligkeiten („Problemkinder“, s. o.), die man geschickt ausintonieren muss. Und die Renner-Mechanik läuft perfekt, allerdings ist sie total service-unfreundlich eingebaut. Die gesamte Palette dieser Eigenschaften erinnert auf respektable und zugleich heitere Weise an den S-155 von Steinway – und in der Tat, dem kann der Sauter-158 ohne Anmaßung das Wasser reichen.
Nachbemerkung Oktober 2022: Letzter Service 2016 oder danach – allerdings macht dieser Kunde vieles selbst, insbesondere meistens das Stimmen, da er selbst als einst gelernter Cembalobauer vom Fach ist. Im Laufe der Jahre bekomme ich von ihm immer mal wieder Kunden.innen zugeschickt, die ihr Klavier oder ihren Flügel stimmen oder überarbeiten lassen.