Ibach 200-cm-Flügel von 1898

Dezember 2007 – Februar 2008

Sowas hatte ich mein Lebtag noch nicht: Herr J. W. (München) besitzt seit einigen Monaten einen Ibach 200-cm-Flügel von 1898. Dieser war Mitte der 1990er Jahre in den Niederlanden umfassend und erfreulich sorgfältig renoviert worden. Doch anschließend befand er sich 10 Jahre auf der Karibikinsel Curaçao. Und die dortigen Klimaverhältnisse haben alle Blanksaiten mit einer unglaublich harten Rostschicht ummantelt, die nicht entfernbar ist. Was also tun?? Nochmal alle Saiten neu? Bei einem 110 Jahre alten Flügel, nach so einer Klimastrapaze? Das Weiterleben dieses Flügels stand auf des Messers Schneide…


Nach sehr reiflicher Überlegung hielt ich es für geboten, den Flügel mit diesen rostigen Saiten auf die richtige Stimmhöhe zu bringen und selbstverständlich dafür zu sorgen, dass die Saiten in allen Umlenkungen bewegbar sind. Das Risiko war klar: wenn dabei die Saiten scharenweise platzen, muss entweder eine Großreparatur gemacht oder ein anderes Instrument angeschafft werden…

Der Aufwand war enorm, allein der sorgfältige Stimmungneuaufbau dauerte zwei Tage. Doch geplatzt ist nur eine einzige Saite – eine traumhafte Bilanz! Der Flügel lebt. Und allen weiteren Schritten der PianoCandle Klang- und Spielart-Gestaltung stellte er keine dramatischen Hindernisse in den Weg.

Übrigens, der 2-m-Ibach ist ein eigenständiges Instrument mit ausgeprägt „warmem“, grundtönigem Klang, in sehr respektabler Konkurrenz zu top ausgearbeiteten alten Bechstein-, Duysen- oder Schwechten-Flügeln. Baulich und mechanisch ist er dem kleinen zeitgenössischen 175-cm Ibach von D. F. (s. weiter unten) sehr verwandt, aber dessen Klangkonstruktion ist singend-obertönig, also deutlich hörbar anders.

Lesen Sie bitte nun diese Geschichte aus der Sicht von Herrn J. W.:

„Im Sommer 2007 erwarb ich auf Empfehlung von meinem früheren Klavierlehrer einen Ibach Flügel aus 1898. Der Flügel war 12 Jahre zuvor komplett überholt worden und hatte anschliessend 10 Jahre auf dem Karibischen Insel Curacao verbracht. Die erneuerten Saiten hatten durch das Tropischen Insel-Klima einen starken Rostbelag erhalten. Sonst war der Flügel für mich als Laie in einem akzeptablen Zustand, wenn auch Schwächen im Klang und vor allem auch in der Regulierung spürbar waren.

Wenn der Klang insgesamt als „warm“ zu bezeichnen war, waren folgenden Schwächen merkbar: Im Bassbereich war der Klang wummerig, im Melodiebereich trocken und holzern, im obersten Diskant sehr schwach. Ausserdem lag die Stimmung mit 435 Hz deutlich unter Kammertonhöhe. Die schlechte Regulierung der Mechanik machte vor allem das Pianissimo-Spiel unmöglich.

Nach dem ernüchternden Kommentar des Klavierstimmers, der den Ibach bei uns das erste Mal bei uns gestimmt hatte, habe ich mich auf der Suche begeben nach einem Fachmann für alte Klaviere, um mich wegen des Saitenzustandes fachkundig beraten zu lassen und um eine komplette Mechanikregulierung durchführen zu lassen. Über den „Klavierratgeber“ bei Ebay bin ich auf Herrn Januschek gestossen und nachdem ich die weiteren Informationen und Kundenresenzionen auf seine Homepage gelesen hatte, wusste ich, dass er der richtige Mann für diese Aufgabe ist. Danach folgten mehrere längeren Telefonaten, in den wir hauptsächlich die Thematik der verrosteten Saiten besprachen und wodurch der erste Eindrück bestätigt wurde.

So betrauten wir Herrn Januschek mit der ambulanten Überholung von unserem Flügel. Die Phase der ersten Bekannmachung von Herrn Januschek mit meinem Ibach und der ersten Überlegungen der notwendigen Bearbeitung war sehr spannend, denn es war Herrn Januschek klar, dass der schwere Rostbefall und die mögliche, jetzt noch unsichtbare Schäden durch die Zeit in der feuchten Karibikluft die Erfolgsaussichten doch sehr ungewiss machten. Dies wurde ganz offen kommuniziert und wir diskutierten die möglichen Szenarien. Schliesslich beschlossen wir gemeinsam, dass wir es wagen würden, die Bearbeitung zu beginnen und gegebenenfalls nach kurze Zeit auf zu geben, wenn es zu vermehrten Saitenbrüchen kommen würde.

Diese Entscheidung stellte sich als richtig heraus, denn ab dem Moment führte jeder Arbeitsschritt, wie klein und unbedeutend sie teilweise auch schienen, zu einer ständigen und für mich oft unerwarteten Verbesserung des Klangs. Zum Glück haben die verrosteten Saiten uns dabei nicht im Stich gelassen. Ausser diesem Glück ist es dem hervorragenden fachmännischen Können, der großen Kreativität und der Liebe für alten Instrumente von Herrn Januschek zu verdanken, dass die Flügelbearbeitung unter diesen erschwerten Bedingungen zu einem Erfolg wurde!

Der Flügel ist nach der Bearbeitung von Herrn Januschek in einem sehr schönen Zustand und „my Grand Old Lady“ zeigt nun wieder ihr ganzes Potential, trotz ihres stolzen Alters von 110 Jahren. Der Klang in allen Tonlagen ist einfach wunderschön und ausgeglichen und dank der kompletten Regulierung ist das Spielverhalten nun dramatisch verbessert. Erst nach dem Abschliessen der Arbeiten ist mir klar geworden, wie groß die ursprünglichen klanglichen Schwächen waren. Das Bespielen meines wunderbaren Ibachs bereitet nun meiner Tochter und mir sehr grosse Freude, an dieser Stelle dafür noch einmal ein großes „Dankjewel“!

J. W. München, im Juni 2008″