PianoCandle Blog

Ist Hammerkopfbearbeitung ein Muss?

Für Klaviere und Flügel gibt es keinen „TÜV“. Insofern erstmal ein klares Nein zur Frage der Überschrift. Insofern aber auch zugleich ein klares Ja dazu, dass jede/r Piano-Besitzende in aller Bedachtsamkeit Überlegungen anstellen kann über das, was sinnvollerweise getan werden sollte oder halt gelassen werden kann.

Piano-Hammerköpfe sind mit Filz bezogen, der durch das Anschlagen nach und nach verschleißt. Und nur mal knapp zur Verdeutlichung: Gesetzt den Fall, ein Hammer wird pro Klavierspielstunde zwanzig bis hundert mal betätigt, und es gibt 50-150 Klavierspielstunden im Jahr, dann errechnen sich daraus bereits zehntausend bis hundertfünfzigtausend  (10.000-150.000) Anschläge in zehn Jahren. Pro Hammer, versteht sich. Als Folge der Beanspruchung bilden sich Rillen im Scheitelfilz der Hammerköpfe.

Aber warum sollte man die denn beseitigen, wo doch das Piano auch mit den Rillen prima spielt?

Wie gesagt – man muss ja nicht. Hier mal zur Anschauung ein Blick auf Hämmer eines über 100 Jahre alten Klavieres, das aktuell erfreulich lebendig genutzt wird:

Auf diesem Bild sind zehn stark eingespielte Hämmer der oberen Mittellage zu sehen, von oben fotografiert. Nur bei einem davon – dem zweiten von links – ist zu erkennen, dass der Hammer die zugeordneten Saiten mittig trifft. Alle anderen Hämmer stehen nicht korrekt. Würde man sie korrekt ausrichten, dann treffen sie die Saiten mit dem vorstehenden Flausch statt den Rillen, was den Klang und seine Gleichmäßigkeit sehr stark verändert.

Mindestens einer der Hämmer – der dritte von rechts – hat offensichtlich kaum Kontakt zur rechten der drei zugeordneten Saiten, der erzeugte Klang wird beeinträchtigt oder enthält störende Nebenklänge. Auch beim ersten Hammer von rechts und dem dritten von links sieht es nicht gut aus. Mehrere der Hämmer sind stärker abgespielt als die anderen, insbesondere der fünfte von rechts fällt sehr auf. Er erzeugt deshalb einen hörbar härteren Klang als seine Nachbarn.

Für das nächste Bild wurde die Kamera kopfüber verschwenkt, zu sehen sind nun frontal die Scheitel derselben Hämmer:

Die oben beschriebenen Mängel sind hier aus anderer Perspektive gut zu erkennen. Außerdem wird sehr deutlich: Die eigentlich nahezu punktförmigen Aufschlagstellen für jede Saite sind inzwischen zu Strichen geworden, z. T. mit mehr als einem Zentimeter Länge. Die Ausdehnungen der Aufschlagstellen messen jetzt das Fünf- bis Zehnfache des Ursprünglichen. In Folge davon wird der erzeugte Klang arm an Obertönen, da bestimmte kurzwellige Klanganteile von ausgedehnten Aufschlagstellen nicht mehr angeregt werden können. Der Klang verliert große Teile seiner „Farbe“.

Dieser Effekt wird noch durch die hohen vorstehenden Flusen neben den Rillen verstärkt. Der Hammer behindert sich sozusagen selbst bei der Klangerzeugung, da die Saiten bereits unmittelbar vor dem Anschlag von den Flusen angeschrapt werden und direkt nach dem Anschlag nochmals.

Alles so lassen? Warum nicht – man kann ja immer noch Klavier spielen und bei entsprechender Entschlossenheit auch richtig gut Musik machen.

Ich dränge mich nicht auf. Wohl aber möchte ich Ihnen, falls sie dazu geneigt sind, „den Mund wässrig machen“. Und zwar dafür, dass oft mit recht moderatem Einsatz sehr deutlich wahrnehmbare positive Veränderungen im Klang und im Spielgefühl möglich sind. Näheres dazu demnächst.

— Fortsetzung folgt —