PianoCandle Blog

Schon wieder was ganz Kleines

Gestern hatte ich ein Klaviermodell zu stimmen, von dem ich schon lange kein Exemplar mehr gesehen hatte. Nicht immer hatte ich das angemessene Verständnis dafür, aber nun habe ich ein bisschen meine eigene Meinung früherer Sturm-und-Drang-Zeiten nachkorrigiert.

Es geht um ein „Zeitter & Winkelmann“ Klavier aus den 1960er Jahren. Das ist eine sehr alte deutsche Firma, mehrere Jahrzehnte vor Steinway und Bechstein gegründet, und in ihrer Glanzzeit bis in die 1930er Jahre hinein wurden dort stattliche und auch sehr große konzertante Klaviere gebaut. Und Respekt – diese Firma lebte nach Fabrikzerstörung und Weltkrieg noch weiter. Es wurden dann allerdings Kleinklaviere gebaut, sehr kleine Klaviere, und spontan treibts einem, der die alten großen Meisterwerke kennt, die Tränen in die Augen. Aber was soll’s? Nach dem 2. Weltkrieg, bis in die 70er Jahre hinein, waren große Klaviere völlig aus der Mode – und Fabrikanten müssen nun mal von dem leben was gekauft wird. (Zeitter & Winkelmann, Braunschweig, wurde übrigens 1963 von Seiler, Kitzingen, übernommen.)

Gestern habe ich mal etwas genauer hingesehen. Das Z&W-Klavier von 1968 hat eine Höhe von 103 cm, nur unwesentlich mehr als die Minimalhöhe normal gebauter Klaviere. Aber der Klang ist trotzdem wirklich gut, mit einem herausragend klaren Diskant, einer wunderbar singenden Mittellage, und einem Bass der diesen Namen tatsächlich verdient. Und ich habe nachgemessen: Die längste Basssaite hat eine gespielte Länge von ca. 110 cm.

Zu Hause habe ich dann mit meinem geliebten Privatklavier verglichen. Das ist 134 cm hoch, Baujahr 1929. Und sein Klang ist zugegebenermaßen sehr wesentlich sonorer.

Woran das liegt? An der Saitenlänge allein wohl kaum. Denn die längste Basssaite toppt die des winzigen Z&W nur um 14 cm. Den Ehrgeiz, die Bauhöhe des Instruments technisch optimal auszureizen, hatte man bei diesem Klavier nicht, anders als bei dem kleinen Z&W.

Fazit: Da haben die bei Z&W damals ziemlich durchdacht verkleinert. Mit so einem Klavier kann man auch heute noch prima Musik machen. Wahrscheinlich stecken da noch ungeahnte Kapazitäten drin, die sich mit akustisch-konstruktiven Kniffen zu beachtlicher Größe entfalten lassen – wenn man will.

Hier das Innenleben des kleinen Zeitter & Winkelmann Klavieres, darunter das Innenleben von meinem Privatklavier.